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Niqs Reisen

Moperl

Über das Mopedfahren in Vietnam.

Aufgeregt sitze ich am Boden des Wohnzimmers. Papa hält die quaderförmige Schachtel aus hartem Karton in der Hand. Die Sommerferien stehen vor der Tür und mein Bruder Alex und ich können unser Glück nicht fassen.

Papa legt die Schachtel auf den Wohnzimmerboden. Alex und ich stürzen uns darauf. Wie können wir auch anders, immerhin befindet sich ein richtiger Schatz darin.

An diesem warmen Sommertag im Jahre 1997, bekommen Alex und ich unsere erste Spielekonsole: den Nintendo 64. Jeder von uns bekommt ein Spiel. Alex bekommt Super Mario 64, das Debüt des italienischen Klempners in der dritten Dimension. Ich bekomme Wave Race 64, ein Rennspiel.

Auf der Verpackung sind vier 3D-Modelle abgebildet. Auf einer blauen Welle reiten sie über den Ozean. Sie sitzen auf ihren Jetskis. Meine Augen funkeln, als ich das Spielmodul aus der Verpackung nehme, in meine neue Spielekonsole schiebe und den "Power"-Schalter umlege.

Das Moped #

Nicht weniger aufgeregt liege ich im Bett des Bungalows. Ich kann nicht schlafen. Morgen bekommen wir das Moped, das uns die Woche auf Phu Quoc als treuer Begleiter zu Seite stehen soll.

Ich verspüre eine Mischung aus Vorfreude und einen Hauch von Angst. Noch nie in meinem Leben bin ich Moped gefahren. Und von allen Orten dieser Welt soll ich ausgerechnet hier in Vietnam, in dem der Verkehr so verrückt ist, das erste Mal Moped fahren?

Lange liege ich wach und mache kaum ein Auge zu. Der Morgen kommt, ob ich will oder nicht. Pünktlich um 9 Uhr höre ich dann ein Hupen von der anderen Seite des Zaunes. Ich öffne das Tor und eine junge Frau schiebt das rote Fahrzeug von Honda, Type "Airblade" auf das Grundstück.

Ich nenne es Moperl.

Moped fahren #

Moped fahren ist voll easy, denke ich, als ich mich das erste Mal in meinem Leben auf ein Moped setze. Das japanische Fahrzeug lässt für einen Menschen, der gute Bedienbarkeit zu schätzen weiß, nichts zu wünschen übrig. An der Konsole gibt es einen Geschwindigkeitsmesser und eine Tankanzeige. Die Mopedfrau versichert mir zwar, dass der Tank halb voll ist, die Tankanzeige ist hingegen anderer Meinung.

Auf der rechten und linken Seite der Anzeige ertaste ich schöne Knöpfe, deren Betätigung dank ihrer Haptik ganz besonders viel Freude bereiten. Man kann sie hineindrücken (wie den elektrischen Starterknopf und die Hupe) oder Umlegen (wie den Lichtschalter, den Schalter zum Öffnen des Kofferraums und den Blinker).

"Die Konsole eines rotes Mopeds"

Alleine die bedienungsfreundliche Leichtigkeit von Moperl löst in mir eine unmittelbare Begeisterung für das Mopedfahren aus. Das Mopedfahren an sich ist wie bereits erwähnt easy, zumindest theoretisch.

Eigentlich ist es doch wie Fahrradfahren, nur mit Motor, oder? Doch erinnert es mich an etwas anderes, das mir nicht sofort einfallen will. Die Straße in unserem kleinen Dorf ist an vielen Stellen sehr rau. Die trockene, wüstenähnliche Strecke zur Hauptstraße wimmelt von Streunerhunden, Hühnern und lieben vietnamesischen Kindern, die gerne "Hello" rufen, wenn sie uns sehen.

Auch der vietnamesische Eifer für "pragmatisches" Verkehrsverhalten ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Jederzeit kann ein fremdes Moped aus dem Nichts auftauchen und in meine Fahrtrichtung einschneiden. Ruhig, Moperl. Wir zwei machen das schon. Wir müssen nur vorsichtig sein.

Jeder wie er will #

Das eigentliche Fahren des Mopeds ist dann aber tatsächlich sehr entspannt. Auf der Hauptstraße gibt es drei Spuren:

  • Die innere ist Autos vorbehalten.
  • Die mittlere dürfen sich Autos und Mopeds teilen.
  • Die äußere ist für Mopeds und Fahrradfahrer (ja, wirklich, bei dieser Affenhitze).

So merke ich schnell, dass jeder auf der Straße sein eigenes Tempo hat. Ich beobachte alte Herren, auf alten Mopeds, die ihrem Alter entsprechend über die äußerste Spur schleichen. Genauso gibt es aber die wilden Mopedfahrer, die mit Karacho über die innerste Spur schießen. Anfangs bin ich noch zögerlich, aber je mehr ich mich an Moperl gewöhne, desto mehr drück ich selbst auf die Tube.

"Aus der Sicht der Beifahrerin zeigt sich eine Szene auf der betonierten Straße. Über die Schulter sieht man am Straßenrand kleine Geschäfte mit Sonnenschirmen"

Als die Hauptstraße in Duong Dong, den größten Ort auf Phu Quoc, mündet, spitzt sich die Lage zu. Hier wird alles sehr chaotisch und wenn man nicht mit voller Konzentration bei der Sache ist, kann schnell mal etwas schief gehen. Ruhig, Moperl. Wir zwei sind ein gutes Team.

Moped fahren macht Spaß! #

Oh ja, das tut es. Und nach einer halben Stunde unterwegs fällt mir ein, woran mich das Mopedfahren erinnert: an Jetski fahren. Seit ich im Jahre 1997 das erste Mal Wave Race 64 spiele, bin ich Feuer und Flamme für das Wasserfahrzeug.

Und Moped fahren ist wie Jetskifahren auf der Straße.

Tuong Nguyen #

Als wir unseren Ausflug beenden, betrachte ich meinen Helm. Es ist ein wirklich uncooler Helm, im Entenschnabelstil und er schaut einfach nur deppert aus. Ihr kennt's mich ja: als cooler Mensch ist mir das Wichtigste beim Autofahren coole Musik. Beim Moped fahren hingegen ist mir das Wichtigste ein cooler Helm.

"Ich sitze auf meinem Moped und hebe meine linke Hand zum Friedenszeichen. Im Verkehrsspiegel erkennt man Sophia"

Zu hause angekommen, werfe ich einen Blick in die Fundgrube am Grundstück. Dort entdecke ich ein Exemplar. "Tuong Nguyen", steht drauf.

Wer ist Tuong Nguyen?

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Fortsetzung folgt