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Niqs Reisen

Tausende Mopeds

Tausende Mopeds in einer fremden Welt.

Ho Chi Minh City ist verrückt.

In der Ankunftshalle des Flughafens wird laut gerufen:

SIM card?

SIM card?

SIM card!

Der Tân Sơn Nhất Flughafen ist ein Bazar für mobile Daten. Wir flüchten ins Freie.

Doch dort ist die Stimmung dieselbe. Nur sind die Rufe andere:

Taxi?

Taxi?

Taxi!

Mir ist unwohl. Die Taxifahrer wirken nicht, als würden sie sich an die ortsüblichen Tarife halten. Doch was bleibt uns übrig?

Mopeds #

Wir verlassen den Flughafen und fahren stadteinwärts. Plötzlich tauchen sie auf. Mopeds. Dutzende. Nein, hunderte!

"Vom Rücksitz des Taxis aus erkennt man einige Mopedfahrer auf der Straße"

Das Taxi wird belagert. Es werden immer mehr. Könnten es tausende sein?

"An einer Kreuzung halten dutzende Mopedfahrer"

Noch nie in meinem Leben habe ich so viele Mopeds gesehen.

Wild #

Autos wirken Fehl am Platz. Mopeds dominieren die Straßen der Stadt. Alle vier Spuren werden von ihnen eingenommen.

"Im Vordergrund ein Mopedfahrer mit grau-grüner Jacke, einer Stoffmaske und grünem Helm. Dahinter ein Mopedfahrer mit pinkem Kaputzenpulli und schwarzem Helm"

An einer verkehrsreichen Kreuzung queren weitere hundert Mopeds. Noch bevor es für uns Grün wird, kommt der Verkehr vor uns in Gange. Sie stoßen fast mit den noch querenden Mopeds zusammen. "Passt doch auf!", will ich rufen.

Als wir losfahren, schlängeln sie sich eng an uns vorbei. "Oh Gott!", denke ich. "Das war knapp". Wir sehen andere am Rand der Straße, in unserer Spur, doch fahren sie entgegen der Fahrtrichtung. Was ist hier los?

Ich beobachte die waghalsigen Manöver der verrückten Mopedfahrer. Was in Österreich garantierter Selbstmord wäre, ist hier völlig normal.

Es ist das reinste Chaos. Ich frage mich, warum es nicht ständig zu Unfällen kommt. Irgendwo muss es ein System geben.

Hupen #

Ständig wird gehupt.

Es ist anders als das Hupen, das ich aus Wien kenne:

Heast, Euder! I hab Vorrang, was is mit dir?

Das Hupen in Vietnam ist ein Kommunikationsmittel, ohne das der Verkehr hier unmöglich funktionieren würde.

Hey, ich komme!

Es ist Hupen im ursprünglichen Sinne. Manche Mopedfahrer werfen sich nahezu in den Verkehr und verlassen sich dabei allein auf akustische Signale.

Es ist wie ein Abwehrmechanismus:

Hörst du nicht, dass ich komme?

Hupen schützt und ist Teil des Verkehrssystems.

Menschen auf Mopeds #

Ich sehe Helme. Rote, blaue, goldene, weiße, schwarze und grüne.

Manche Verkehrsteilnehmende halten bei der Fahrt ihr Handy in der Hand, andere haben eine Halterung, über der ein kleiner Schirm aufgespannt ist.

Sie sitzen alleine auf Mopeds, zu zweit, zu dritt, zu viert. Ganze Familien passen auf die Fahrzeuge. Sie transportieren Pakete, Leitern, Teppiche, Trinkkanister, Einkaufstaschen, Koffer. Ich bemerke Becher mit Kaffee, die in einer Plastikschlaufe stecken und am Griff vieler Mopeds hängen.

"Ein Dutzend Mopeds im Flussverkehr. Einige haben Beifahrer hinter sich sitzen"

Beifahrer sitzen entspannt dahinter und spielen gemütlich mit ihren Handys, so als stünden sie nicht vorm unmittelbaren Verkehrstod. Manche tragen FFP2-Masken oder Stoffmasken. Manche tragen Sonnenbrillen.

Der Verkehr in Ho Chi Minh City löst eine Faszination in mir aus. Stundenlang könnte ich ihn vom Schutz unseres Taxis aus beobachten.

Grab #

Unser europäisches Denken verleitet uns dazu, Ho Chi Minh City in Form eines Spaziergangs zu entdecken. Doch sogar der Weg zum Café, das fünf Minuten entfernt ist, stellt sich als unüberwindbare Herausforderung dar.

Zu Fuß ist man in dem Getümmel absolut verloren. Es gibt zwar Schutzwege, doch bieten sie keinen Schutz. Sie werden von allen Verkehrsteilnehmenden ignoriert. Selbiges gilt für Fußgängerampeln. Wenn sie auf Grün umschalten, fahren die Rechtsabbieger los und achten nicht auf Fußgänger.

Eine Strategie, um die Straße zu überqueren wäre, sich einer Menschenmasse anzuschließen, die auch gerade dabei ist, die Straße zu überqueren. Die Kraft des Kollektivs.

Doch findet man kaum andere Fußgänger. Vermutlich, weil sie die harsche Realität des Fußgängerdaseins längst aufgegeben haben.

"An einer Kreuzung, die von grünem Bäumen umgeben ist, halten einige Mopeds, während zwei Mopeds die Kreuzung queren."

Auch öffentliche Verkehrsmittel sind hier nicht zu finden. Wofür denn auch? Schließlich gibt es Mopeds.

Unsere Variante des Transports heißt "Grab". Es ist eine App, die auf das bewährte Fahrtendienstsystem setzt, das sich vor über einem Jahrzehnt als "Uber" etabliert hat.

Auf diese Weise überleben wir das Verkehrschaos des wilden Saigons.

Tausende Mopeds #

Der Verkehr in dieser Stadt ist der pure Wahnsinn. Nicht mal die sogenannten "Walking Streets" lassen sich gut zu Fuß entdecken. Es gibt keine Gehsteige. Man teilt sich die Straße mit den Mopeds.

"Ein einspurige Straße auf der ein Auto und ein paar Mopedfahrer zu sehen sind. Einige Menschen sind zu Fuß unterwegs."

Der Verkehr trägt zum Kulturschock bei, den wir bei Ankunft in Vietnam verspüren. Und doch lässt er mich nicht los.

Tausende Mopeds in einer Welt, die mir so fremd ist.