Unser Roadtrip rund um die Südinsel geht weiter. Der Weg von Castle Hill führt über den Arthur's Pass, einen malerischen Gebirgspass und dann über die schöne Westküste in den kleinen Ort Franz-Josef/Waiau. Waiau ist die maorische Bezeichnung des Ortes. Aber was hat es mit dem Namen Franz-Josef auf sich?
Ich kenne nur einen Franz-Josef. Nämlich den Kaiser Franz-Josef von Österreich!
Für den Namen des Gletschers gab es ursprünglich eigentlich andere Pläne. Leonard Harper, ein englischer Entdecker, benannte diesen 1852 nach dem englischen Königspaar Victoria und Albert. Er machte dies aber nie offiziell.
Daher hatte 1865 der deutsche Entdecker Julius von Haast einen besseren Namen.
Wenn ich darüber nachdenke, fällt mir noch ein Ort ein, auf den ich im Atlas der abgelegenen Inseln gestoßen bin. Eine Inselgruppe im Nordpolarmeer wurde 1873 ebenfalls nach dem Kaiser benannt.
Im 19. Jahrhundert war Franz-Josef bestimmt auch der beliebteste Babyname.
Arthur's Pass #
Wenn wir schon bei Namen und bei den 1860ern sind, können wir auch gleich über Arthur Dudley Dobson reden. Gemeinsam mit seinem Bruder Edward erschloss er einen Pass durch die Berge, der ursprünglich von Māori für die Jagd und für den Handel genützt wurde. Heute ist der Arthur's Pass eine der schönsten Gebirgsstraßen Neuseelands.
Bei einem Stopp mit fantastischer Aussicht auf die umliegende Berglandschaft treffen wir Olli aus England. Er ist bereits seit fünf Monaten hier. Dank seines Arbeitsvisums wird er hier sogar zwei ganze Jahre verbringen. Er hat schon auf der Steward Island, der kleinen Insel im Süden gearbeitet, dort Wanderwege gepflegt und Fallen für Possums aufgestellt, die im ganzen Land eine Bedrohung für die ansässigen Vögel darstellen.
"In my previous life, I was a mechanic." erzählt er. Wir werden noch viele Menschen wie Olli treffen. Leute, die von ihrem "vergangenen Leben" sprechen. Leute, die vom Büroalltag in Europa Abstand nehmen wollen. Leute, die in Neuseeland ein neues Zuhause finden.
Erste Konfrontation mit Neuseelands Tierwelt #
Kurz nachdem wir in die Berge fahren, machen wir eine Pause. Da wir heute noch lange unterwegs sind, ist eine kleine Stärkung angebracht. Das erste Café, das wir betreten ist zu teuer, entscheidet Manu. Wir beobachten ihn wie er zielstrebig das Café auf der anderen Straßenseite ansteuert. Er scheint mit den dortigen Preisen einverstanden zu sein, also folgen wir ihm.
Das Wetter ist schön, es scheint die Sonne. Sophia und ich sind gerade dabei uns im Inneren des Cafés einen Flat White zu bestellen, als wir Simon und Manu auf der Terrasse beobachten.
Manu stellt sein Käffchen und sein Sandwich am Tisch ab. Ein winziger Spatz ist neugierig und landet am Ende des Holztisches. Manu möchte keine Vögel in der Nähe haben, wenn er sein Sandwich isst, also steht er auf, um das Vöglein zu verscheuchen. In diesem Moment landet ein 50 cm großer, grüner Vogel auf dem Tisch, nimmt sich das in Plastik verschweißte Sandwich in den Schnabel und fliegt genauso schnell davon wie er gekommen ist. Manu muss dem großen Vogel machtlos dabei zusehen, wie er mit seine Mahlzeit entkommt.
Ich kann mich vor lauter Lachen gar nicht halten. Sophia und ich und viele andere Besucher:innen des Cafés beobachten das Spektakel.
Als ich die Geschichte kurz darauf dem Kassierer erzähle, ist dieser keineswegs überrascht. Das passiere andauernd. Die Keas haben sich im Laufe der Zeit Strategien angeeignet, um an menschliche Nahrung zu kommen. Ein beliebter Trick ist es zum Beispiel, vor dem Café zu warten, bis jemand die Türe öffnet. Kurz darauf fliegen die Keas hinein, schnappen sich einen Keks aus der Vitrine und fliegen wieder hinaus.
Überall hängen Schilder, welche die Keas schützen sollen "Don't feed the Kea".
Aber wer schützt uns vor den Keas?
Devils Punchbowl Waterfall #
Bevor der Roadtrip weitergeht, gönnen wir uns noch eine Wanderung hoch zu einem Wasserfall, der mich sehr an den Krimmler Wasserfall in den Hohen Tauern erinnert. Am Weg nach oben erzählt mir Simon von Bordeaux.
Die Stadt lässt sich sehr gut zu Fuß oder mit dem Fahrrad entdecken. Das Meer ist nur eine 50-minütige Autofahrt entfernt. La Rochelle liegt zwei Stunden nördlich von Bordeaux und auf jeden Fall einen Besuch wert, wenn man schon mal an der Atlantikküste ist. Man könnte sich am Meer ein paar Tage lang ein Haus mieten und eine schöne Zeit haben. Ich finde immer mehr Gefallen an der Idee, Simon in seiner Heimat zu besuchen, wenn wir zurück in Europa sind.
Wir beenden unseren Spaziergang mit einem Gruppenfoto. Absichtlich lassen wir uns nicht vor dem Wasserfall fotografieren, weil das macht doch jeder.
Wir strahlen an diesem Vormittag eine "Ist uns doch egal"-Attitüde aus, also meine ich wir sollten so posieren, als würden wir nicht fotografiert werden.
Beim Foto, das dann entsteht bin ich der einzige, dem alles egal ist.
Franz Josef #
Nach insgesamt 4 Stunden Autofahrt erreichen wir unser Ziel.
Franz Josef/Waiau ist ein kleiner Ort auf mit gerade einmal 530 Einwohner:innen. Trotzdem ist der Supermarkt randvoll mit Menschen. Die Gegend ist ein beliebtes Ziel von Backpackern auf der ganzen Welt.
Haka House #
Wir kehren im Haka House ein, einer neuseeländischen Hostelkette. Hier kommen heute Nacht dutzende Menschen unter. Die Küche und der Aufenthaltsraum sind groß. Hier gibt es genug Platz für alle.
Da wir so erledigt von der Anreise sind, schaffen wir es noch nicht, Energie aufzubringen um unser Abendessen zuzubereiten (heute steht wieder das Spezialgericht "Pasta" am Speiseplan). Da hat Simon die glorreiche Idee, ein Charcuterie Board vorzubereiten. Es gibt Salami, Käse, Kartoffelchips, Toast und Bier.
Wir sind als Gruppe so rücksichtsvoll, das keiner das letzte Stück Käse zu essen vermag. Also schneiden wir es in 4 Teile. Dasselbe passiert übrigens mit dem letzten Stück Kartoffelchip und dem letzten Stück Toast.
Fast schon anstrengend, wie sehr wir aufeinander achten.
Als die Gruppe dann ausreichend gestärkt ist, wird gekocht. Während ich noch fleißig am Verfassen des vergangenen Blogartikels bin, bereiten die anderen großartige Pasta zu. Mein einziger Beitrag zu diesem fantastischen Mahl wird es sein, ein Feuerzeug für den Gasherd zu organisieren. Und hier habe ich einen besonderen Moment, in dem ich mich das erste Mal in ozeanischen Charakterzügen probiere.
In der Küche kursiert das Gerücht von diesem einen Typen, der ein Feuerzeug besitzt. Er sitzt an einem Tisch und isst gerade sein Abendessen. Ich gehe also zu ihm und frag ihm nach seinem Feuerzeug. Lässig holt er das Feuerzeug aus seiner Hosentasche und überreicht es mir.
Nach der Aktivierung des Gasherds bringe ich es zurück. In diesem Moment sagen wir einander gleichzeitig "Cheers, Mate". Wie peinlich! Und somit endet mein erster Versuch ozeanisch zu sein mit einem eigenartigen Nachgeschmack.
Glühwürmchenwanderung #
Als die Gruppe dann auftischt, bringen sie noch jemanden mit. Mona ist HNO-Ärztin und bevor sie ihre große Karriere beginnt, ist sie noch mal mit ihrer Mum auf großer Reise. Bis April plant sie unterwegs zu sein. Sie stammt aus Bayern und lebt zwischen Nürnberg und Bamberg. Ich finde Mona sehr lustig. Sie nimmt einem beim Wort und hat einen trockenen Humor. Sie reagiert zum Beispiel auf die kecke Frage von Manu "Wer bist du überhaupt?" mit "Ja, was wollt ihr denn genau wissen?".
Sie lädt uns zu einer Glühwürmchenwanderung ein. Es ist schon 9 Uhr abends als wir aufbrechen. Wir sehen genau ein Glühwürmchen. Aber das ist es auf jeden Fall wert. Denn erneut werden mit einem fantastischen Sternenhimmel belohnt. Sophia und ich freuen uns wie kleine Kinder.
Wir lieben die Südsterne.
Roberts Point Track #
Am nächsten Morgen schaffen wir es erst um 11:00 Uhr zu unserer Wanderung aufzubrechen. Manu schaut auf die Uhr und schüttelt den Kopf. "Wir müssen in Zukunft mal früher los!"
Wir sind wirklich ein unorganisierter Haufen.
Sophia und das Nichtsingenwollen #
Eine 10-minütige Autofahrt später sind wir am Start vom Roberts Point Track. Der Weg ist bewaldet und ähnelt einem tropischen Urwald. Nachdem wir den Weg einige Minuten lang entlang laufen, haben wir das erste Mal einen fantastischen Blick auf den Franz-Josef-Gletscher. Der schneebedeckte Berg steht in hartem Kontrast zu dem umgebenden Regenwald voller Palmen und endemischer Vogelarten.
Inspiriert durch die Umgebung stimmt Simon ein Lied an. Er pfeift die Titelmusik von Indiana Jones und ich erinnere mich daran, wie Sophia und ich die Filme vor einigen Monaten gesehen haben.
Sophia hat meiner Meinung nach eine engelsgleiche Stimme, doch nie im Leben würde ihr ein Lied über die Lippen wandern. Sophia singt nicht. Doch in besagter Indiana Jones-Phase war sie so in Stimmung, dass sie doch tatsächlich die Titelmelodie zu summen begann.
Ich lass die Boys erraten, bei welcher anderen Filmreihe dasselbe Phänomen stattgefunden hat. Es dauert nicht lange und Simon pfeift die Titelmelodie von Zurück in die Zukunft.
Abschließend pfeift Simon noch Jurassic Park, das ebenfalls hier hätte gedreht werden können, bevor die Wanderung anspruchsvoller wird.
Abenteuerliche Wanderung #
Der erste Hinweis darauf, dass die Wanderung knackiger wird, ist ein Schild, das Besucher:innen warnen soll. Drei Menschen sind auf dieser Wanderung schon gestorben. Vielen Dank, Schild! Sehr ermutigend! Aber bestimmt meint es das Schild nur gut mit uns. Weil tatsächlich ist die Wanderung nicht zu unterschätzen.
Es gibt Abschnitte, in denen man durch den tiefen Urwald wandert. Dank "Nachschlage"-Funktion meines iPhones, gelingt es mir, einige der Bäume und Pflanzen zu identifizieren.
Viele davon sind nur auf der Südhalbkugel verbreitet: wir sehen z.B. Scheinbuchen, die in den Regenwäldern Neuseelands die vorherrschende Baumart sind.
Wir sehen Silberfarne, die nur in Neuseeland zu finden sind. Sie gelten als "Nationalpflanze" und sind am neuseeländischen Wappen abgebildet. Wir sehen auch Dicksonia (oder Taschenfarne) und Rimu-Harzeibe, die ebenfalls nur in Neuseeland heimisch sind.
Dann folgen Abschnitte, wo man Brücken passieren muss. Auch hier werden wir von Schildern gewarnt, dass nur eine begrenzte Anzahl von Menschen die Brücke gleichzeitig betreten dürfen. Wenn mehrere Personen passieren, ist der Einsturz garantiert, verspricht das Schild.
Dann folgen Abschnitte über Steine, die teils rutschig sind, über Flüsse und Wasserfälle. Wir überqueren noch mehr Brücken und gehen Stiegen entlang, die direkt in den Fels gebaut wurden.
Die Wanderung ist durch und durch ein Abenteuer.
Roberts Point #
Sophia und ich haben Simon und Manu etwas Vorsprung eingeräumt. Als wir am Aussichtspunkt (Roberts Point) eintreffen, haben sie es sich schon gemütlich gemacht. Außerdem haben sie hier oben schon Menschen kennengelernt. Es stellt sich heraus, dass alle Wanderer hier oben der deutschen Sprache mächtig sind. Die Deutschen lieben einfach Neuseeland!
Wir treffen Lena. Sie ist bereits seit Dezember hier und reist mit ihrem Campervan "Billie" rund um die Südinsel. Sie stammt aus Passau und hat vor Antritt ihrer Reise ihren Job als Projektmanagerin im Bauwesen gekündigt. Ihren bayrischen Dialekt finde ich sehr sympathisch. Sie erzählt was sie alles erlebt hat und gibt uns viele Tipps. "Es war ganz easy, hier einen Campervan zu kaufen und anzumelden" meint sie. Sie ist voller Lebensfreude und ihre Augen funkeln, wenn sie von ihren Reisen erzählt.
Wir treffen Nick. Er ist nach dem Schulabschluss nach Neuseeland aufgebrochen. Sein Onkel lebt hier, also reist er nun mit dem Bus durch das Land.
Unsere Gespräche werden immer wieder von Hubschrauber-Geräuschen unterbrochen. Doch wir lassen uns nicht stören.
Wir haben wir einen fantastischen Blick auf den Gletscher, einen Wasserfall und sehen sogar bis zum Ozean. Die einzige Möglichkeit, den Gletscher zu erreichen, ist übrigens mittels Hubschrauber.
Uns genügt allerdings der Blick vom Roberts Point.
Kaiser Franz-Josef und sein Gletscher #
Kaiser Franz-Josef wurde hier Namenspatron eines großartigen Ortes. ChatGPT bestätigt mir, dass er es nie ans andere Ende der Welt zu seinem Gletscher geschafft hat. Wenn man Kaiser Franz-Josef ist, war es wahrscheinlich so üblich, dass Dinge nach einem benannt wurden. Da macht ein Gletscher mehr oder weniger wohl nicht so viel aus.
Schade aber, hier hätte es ihm bestimmt gefallen. 🏔️