Im Büro des Busanbieters angekommen, trage ich unsere Namen in eine Liste ein. Neben den Spalten für "Name", "Vorname" und "Alter" sehe ich eine weitere: "Land". Neugierig wandert mein Blick über die Liste. Niederlande, Deutschland, Vereinigtes Königreich, Neuseeland, Frankreich, Spanien. Ganz im Gegensatz zum ersten Mal Busfahren in Vietnam, scheinen diesmal alle Passagiere unseresgleichen zu sein, nämlich Reisende. Aus dem "Westen".
Erneut ist der Bus bereits eine halbe Stunde zu spät. Trotzdem herrscht unter den Wartenden gute Stimmung. Viele haben sich auf Stühlen niedergelassen, trinken vietnamesischen Kaffee, Softdrinks oder Mangoshakes. Anscheinend haben alle hier die richtige Einstellung für eine Busfahrt in Vietnam. Dann taucht die Büroangestellte auf. In gebrochenem Englisch erklärt sie ruhig, soweit ich verstehen kann, dass der Bus einen Defekt hat. Aber keine Sorge, der Ersatzbus ist schon fast da, lächelt sie.
Zehn Minuten später und es herrscht Aufbruchstimmung. Die Mittzwanziger, die alle Coolness, Entspanntheit und eine Weisheit ausstrahlen, als wären sie seit Jahren in Südostasien unterwegs, bilden eine Schlange vor dem Bus. Eine halbe Stunde vergeht und ich werde ungeduldig. Die Schlange hat sich kein bisschen bewegt. Ich bin der Reiseanekdoten der Gruppe vor mir leid und will endlich losfahren. Dann spüre ich Tropfen vom Himmel fallen. Das hat gerade noch gefehlt!
Auf der Suche nach dem Grund für die verzögerte Abfahrt sehe ich eine Gruppe von Vietnamesen an der Vorderseite des Busses. Endlich kommt die Schlange in Bewegung. Die Reisenden lassen Freudenschreie los. Als wir an der Reihe sind, um unser Gepäck in den Bauch des Busses zu beladen, erschließt sich der Grund für das ewige Warten. Plötzlich bin ich schockiert: zehn Vietnamesen operieren am offenen Herzen des Busses. Die Motorhaube ist aufgeklappt und es wird am Motor herumgefummelt.
Dann werde ich aus meiner Schockstarre gerissen. "Your bag?", fragt der Busangestellte und wirft mir einen erwartungsvollen Blick zu. "Sophia, wir können nicht in diesen Bus einsteigen", sage ich verzweifelt und mit leiser Stimme, als verstünde der Busangestellte Deutsch. "Der fliegt noch in die Luft", denke ich. Doch dann höre ich erneut Freudenschreie, diesmal von den Vietnamesen. Anscheinend ist endlich der Motor angesprungen. Auch die Reisenden stimmen mit lauten Rufen der Freude ein.
Als mir dann der Busangestellte den Rucksack abnimmt, bin ich wie erstarrt und weiß nicht, wie mir geschieht. Kurzerhand lass ich mich von der plötzlichen Stimmungsschwankung mitreißen. Allerdings bemerke ich, dass der Gepäckraum rappelvoll ist. Ich erkenne dutzende braune Pakete, die den Großteil des Kofferraums einnehmen. Was ist hier los?
Im Passagierraum angekommen ist wiederum alles anders als bei meiner ersten Buserfahrung in diesem Land: Alle behalten ihre Schuhe an und von komfortablen Sitzplätzen kann man nicht reden. Ich habe kaum Platz für meine langen Beine. Der Raum wird mit Neonfarben beleuchtet. Ich komme mir vor wie in der Disko.
Die Fahrt ist durchwegs holprig, aber immerhin sind wir unterwegs. Im Bus ist erhellende Stimmung. Das Abenteuer "Busfahren" macht eine Reise in Südostasien zu etwas ganz Besonderem. Die Passagiere wirken fröhlich. Doch kurz darauf muss der Bus anhalten. Plötzlich stirbt der Motor ab. Alle halten inne. Man kann die aufkommende Stille förmlich spüren. Doch der Motor verzagt nicht und die Fahrt geht weiter.
Sophia verfolgt den Verlauf der Reise auf Google Maps und bemerkt, dass wir nach einer Stunde Fahrt gen Norden wieder zurück nach Da Lat fahren. Eigenartig. Aber natürlich müssen die Pakete im Bauch des Busses ausgeliefert werden.
Als wir nach sieben Stunden Busfahrt, mitten in der Nacht, in Quy Nhon aussteigen, sind wir die einzigen, die den Bus verlassen. Die anderen Passagiere fahren sechs Stunden weiter nach Hoi An. Nein, danke. Ich bin froh, dass diese Fahrt ein Ende nimmt und wir heute Nacht nicht im holprigen Inneren eines Busses schlafen müssen, der droht in die Luft zu fliegen.