Die Sounds. Eine Sache, die wohl jeder gesehen haben muss, der den weiten Weg nach Neuseeland auf sich nimmt. Entsprechend unvorbereitet gehen wir die Sache an. Am Abend bevor wir Fiordland erreichen, haben wir noch kein Ticket für ein Boot.
Typisch!
Doch was ist überhaupt ein Sound?
Ein Sound #
Als Mensch, der in Europa lebt, hat man schon mal von Fjorden gehört. Fjorde sind Meeresarme, die durch Gletscher entstanden sind. Sounds sind ebenfalls Meeresarme, doch sind diese durch Flüsse entstanden.
In Neuseeland gibt es 14 davon und sie sind in ihrer Schönheit unschlagbar. Am bekanntesten ist wohl der Milford Sound.
Wie sich aber herausstellt, sind alle Sounds in Neuseeland eigentlich gar keine Sounds... Sondern Fjorde! Abgesehen vom Marlborough Sound wurden alle Sounds fälschlich als solche identifiziert.
Anstatt alle Sounds in Fjorde umzubenennen, hat man einfach die ganze Umgebung "Fiordland" genannt.
Ich fühle mich in die Irre geführt!
Mossburn Railyway Hotel #
Um die Sounds in Fiordland zu besuchen braucht man auf jeden Fall ein Boot. Und so finden wir uns im Mossburn Railyway Hotel wieder, auf halber Strecke zwischen Wānaka und Fiordland. Und wir haben kein Boot!
Wie für uns üblich sind wir wieder schlecht vorbereitet. Wir sitzen mitten im Nirgendwo (auch bekannt als Mossburn) und wissen nicht so recht, ob wir überhaupt einen der Sounds zu Gesicht bekommen werden. Uns stellt sich die große Frage: Milford oder Doubtful Sound?
Glücklicherweise will uns jeder hier im Hotel unter die Arme greifen. Der Besitzer weiß genau welchen Sound wir sehen sollten. Den Milford Sound!
Am Tisch hinter uns erzählt ein Gast hingegen vom Doubtful Sound. Vor Jahrzehnten war er dort auf Hochzeitreise und hat eine Nacht am Boot verbracht. Den Doubtful Sound sollen wir sehen!
Das junge Paar am Nebentisch kommt gerade von ihrer Tour vom Milford Sound. Die beiden sind immer noch ganz aufgeregt. Heute hat es geregnet. Sie haben tausende von Wasserfällen gesehen. Der Milford Sound ist ein einmaliges Erlebnis!
Also entscheiden wir uns kurzerhand für beides! Zehn Minuten vergehen und wir sind einige hundert Neuseeland-Dollar ärmer. Doch dafür haben wir nicht nur ein, sondern sogar zwei Boote gebucht! Außerdem bekommen wir vom Tisch nebenan einen Promocode.
Unser Glück wandelt sich.
Der Weg zum Milford Sound #
Und so machen wir uns am nächsten Tag auf zum Milford Sound. Und der Weg ist das Ziel, weil der ist wunderschön.
Der Tag beginnt früh. Um 07:30 Uhr geht's los. Zum Ziel sind es zweieinhalb Stunden Autofahrt.
Bereits nach einigen Kilometern sind die Straßen Neuseelands wieder äußerst zuvorkommend. Ein Verkehrsschild erinnert uns daran, nicht zu trödeln, immerhin müssen wir zur Mittagszeit unser Boot erwischen:
Mildford Sound 110 km
Allow 2 hours (2 Stunden einrechnen)
Ich nehme dieses Schild die restliche Fahrt beim Wort. Dieses Land hat nämlich wieder ausreichend Naturschönheiten, die sich unserem Vorhaben in den Weg stellen.
Wir fahren an Te Anau vorbei, der für die Touren zu den Sounds als Ausgangspunkt dient. Hier erneut ein Verkehrsschild, das nicht unser Bestes will:
Avoid Fatigue (Meide Müdigkeit)
Stop in Te Anau
Netter Versuch, aber wir müssen unser Boot erwischen!
Es gibt eine schöne Graslandschaft, bevor man in die Berge hineinfährt.
An den Bergen hängen Wolkenfetzen und der Blick in die offene Landschaft hat etwas Beruhigendes.
Doch wir müssen weiter.
Dann kommt der Mirror Lake, der wie der Name vermuten lässt, als ruhiger See den Himmel auf seiner Oberfläche widerspiegelt.
Aber wir müssen weiter!
Danach kommt The Chasm, eine Schlucht an einem Fluss.
Doch wir haben keine Zeit!
Wir erreichen den Homer Tunnel, das Eingangstor zum Milford Sound und das letzte Mal, dass wir in den Genuss von mobilem Internet kommen. Es handelt sich um einen einspurigen Tunnel, deshalb müssen wir acht Minuten warten, bis wir freie Fahrt haben.
Nachdem wir den 1270 Meter langen Tunnel passieren sind es nur noch 15 Minuten zum Parkplatz. Gleichzeitig sind es nur noch 30 Minuten, bis unser Boot ablegt.
Wir müssen uns sputen!
Wir haben Glück im Unglück. Der Parkplatz ist voll, doch ein netter Besucher ist so freundlich und parkt sein Auto um, sodass wir uns noch hineinquetschen können.
Wir erreichen unser Boot fünf Minuten vor Abfahrt.
Milford Sound #
Der Milford Sound ist der kleinste aller Fjorde in Neuseeland. Und er ist atemberaubend schön.
Auch atemberaubend schön ist das Wetter heute. Eigentlich ist das hier eine der feuchtesten Gegenden der Welt. Im Durchschnitt gibt es hier 6412 mm Regen pro Jahr. Da hält nicht mal der feuchteste Ort in Österreich, die Raumsau mit (1500-2000 mm pro Jahr). Trotz dieser statistischen Realitäten haben wir heute strahlend blauen Himmel.
Die mächtigen Wasserfälle lassen auch bei schönem Wetter tausende Liter Wasser herab. Einen großen Teil der Bootsfahrt erlebe ich mit Locken im Gesicht, weil Sophia auf meinem Schoß sitzt.
Das macht den Ausblick natürlich nur noch besser. Ich genieße den Ausflug, muss aber ehrlich zugeben, dass ich dem Narrativ am Boot nicht gut folgen kann, weil die Akustik ganz schrecklich ist.
Macht aber nix, dafür mach ich am nächsten Tag beim Doubtful Sound umso mehr Notizen.
Doubtful Sound #
Nach unserer Nacht am Campingplatz beginnt unser Morgen erneut früh. Um 07:30 Uhr startet unser Boot Richtung Doubtful Sound. Um dort hin zu gelangen, überquert unser Boot erstmal 45 Minuten lang den Lake Manapouri. Dort wartet ein Bus auf uns.
Der Busfahrer informiert unsere Reisegruppe über einen Lautsprecher. Er erzählt, dass der Fiordland Nationalpark der größte Neuseelands ist. Er erzählt von den Silver Trees, der dominierenden Baumart der Gegend. Er erzählt von den Rehen, die hier eine Plage darstellen. Und er erzählt vom Regen: "Rain is what we want, it turns the waterfalls on". Er sagt das, als würde jemand einen Lichtschalter umlegen. Aber genau wie im Milford Sound ist ein Besuch bei Regen wohl um einiges spektakulärer als bei Sonnenschein. 3000-4000 Wasserfälle werden "aktiviert", wenn es hier regnet. Das muss faszinierend aussehen.
Nach einem ersten Stopp und einem spektakulären Ausblick aufs Wasser, der von jedem fotografiert wird, meldet sich der Busfahrer erneut: "You see that dead tree on the left there? That's the most photographed tree in New Zealand." Und dann hat er noch einen Fun Fact für uns: Fiordland erlebt ein Erdbeben pro Tag!
Woran liegt das?
Am Doubtful Sound angekommen, klärt uns die Erzählstimme am Boot auf. Die australische und die pazifische Platte kollidieren an dieser Stelle. Genau dort ist auch ein großer Riss im Berg zu erkennen.
Das tektonische Aufeinandertreffen ist Ursache für die vielen Erdbeben.
Wir lernen auch, dass der Doubtful Sound der zweitgrößte Fjord Neuseelands (40 km), dicht gefolgt vom Dusky Sound (44 km) ist. Der Milford Sound ist der letzte in der Rangliste (12 km).
Warum heißt der Doubtful Sound überhaupt Doubtful Sound? Das liegt am Entdecker, dem guten Captain Cook.
Nur dank des Westwindes gelang es ihm 1770, in den Fjord hineinzusegeln. Tatsächlich war er aber voll Zweifel (doubtful), ob er es schaffen würde wieder hinaus auf den Ozean zu segeln, da Ostwinde hier so selten waren.
Das faszinierende ist, dass es hier noch immer genauso aussieht wie es 1770 ausgesehen haben muss. Ein Stück unberührter Naturschönheit.
Der Doubtful Sound war ursprünglich auch Drehort für Jurassic Park. In dem Regenwald könnte es vor Dinosauriern nur so wimmeln. Da es aber zur Zeit der Dreharbeiten so viel geregnet hat, wurde die ganze Ausrüstung des Filmteams zerstört. Kurzerhand hat sich Hollywood voller Bosheit für Hawaii als neuen Drehort entschieden.
Schade, Neuseeland!
Sounds sind keine Fjorde #
Wir haben viel auf uns genommen, um diese zwei Tage voller Sounds zu erleben. Wir haben viel Geld bezahlt, sind früh aufgestanden und sind viel Auto gefahren. Und Neuseeland hat uns erneut für unsere Mühe belohnt: Die Sounds waren spektakulär und ich wünschte, ich hätte die anderen zwölf auch gesehen!
Aber wie das halt so ist mit Neuseeland: Es gibt an jedem Eck etwas Schönes zu erleben und vielleicht reicht's auch wenn man nur 2 Sounds zu Gesicht bekommt. 📣