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Niqs Reisen

In Vietnam ist jeder Millionär

Über den Umgang mit Geld in Vietnam.

Es hat 37 Grad. Den Schutz einer klimatisierten Zone zu verlassen wirkt fahrlässig. Ich quere die Straße und komme dabei fast ums Leben. Ich bin körperlich am Ende. Die Hitze ist unerträglich. Meine einzige Mission: Bargeld beheben. Meine vorherigen beiden Versuche sind gescheitert.

Der erste Bankomat verkündete ungeniert:

Missing cable (dt. Kabel fehlt).

Dem zweiten Bankomat war nicht zu trauen. Ich hatte Angst, er würde meine Karte verschlucken.

Der dritte Bankomat ist in einer kleinen verglasten Kabine. "Cool", denke ich. Buchstäblich. "Ist bestimmt klimatisiert".

Von wegen! In der gläsernen Kabine ist es sogar noch heißer als draußen. Im Geiste nenne ich die Kabine "Saunakabine Deluxe". Der Kontrast am Bildschirm des Bankomaten ist so schlecht und das Außenlicht so grell, dass ich abwechselnd vom linken aufs rechte Bein springen muss, um überhaupt irgendwas zu erkennen.

Als ich dann endlich meine PIN und meinen Wunschbetrag eingebe, bete ich, dass ich das Geld auch wirklich bekomme. Ansonsten bekomme ich wohl einen Nervenzusammenbruch oder sterbe den Hitzetod.

"Piep Piep", macht das Gerät. Und schon bin ich um den Maximalbetrag reicher, der behoben werden kann. Eine Million vietnamesische Dong.

Vietnam macht es einem nicht leicht #

Eine Million Dong klingt nach viel Geld. Ja, es klingt doch so als wäre ich reich.

Tatsächlich sind es aber gerade einmal 35 Euro. Man fragt sich bestimmt, warum ich mein Leben für das bisschen Kohle aufs Spiel setze. Bargeld ist der einzige Weg, wie wir als Gäste in diesem Land Geld ausgeben können.

Debit- und Kreditkarten werden in den seltensten Fällen akzeptiert. In jenen seltenen Fällen merkt man dem vietnamesischen Servicepersonal die Überforderung mit einem Kartenterminal an. Ist hier wohl nicht üblich.

Unser einziger Weg heißt also Cash. Und pro Behebung ist an vielen Bankomaten ein einmillionenhoher Maximalbetrag vorgesehen.

Ho Chi Minh und der älteste Trick aus dem Buche #

Ho Chi Minh ist der Nationalheld Vietnams. Als Mitbegründer der kommunistischen Partei Indochinas hat er sich für die Unabhängigkeit des Landes eingesetzt und gegen die Kolonialmächte Frankreich und Japan mit seiner Partei Việt Minh gekämpft. Die Bevölkerung ist ihm bis heute dankbar.

Ihm werden nicht nur Statuen und der Name einer ganzen Stadt gewidmet. Sondern auch die Abbildung seines Profils auf der Banknote des vietnamesischen Dong.

Aber nicht nur auf einer Banknote. Sondern auf allen.

"Die unterschiedlichen Banknoten des vietnamesischen Dong. Die Scheine liegen es in den Wertigkeiten 1000, 2000, 10000, 50000, 100000 und 500000 in unterschiedlichen Farben am Tisch."

Vom kleinen Tausender, der mit damaligem Wechselkurs gerade einmal vier europäische Cent wert ist bis zum Fünfhunderttausender, der 18 Euro wert ist: Ho Chi Minh lächelt einem stets aus dem Geldbeutel.

Nationalstolz hin oder her. Diese Designentscheidung der Vietnamesischen Staatsbank verurteile ich zutiefst. Abgesehen vom minimalen Größenunterschied der Banknoten lassen sich diese nur durch Farbe unterscheiden. Und glaubt mir, wenn ich sage, dass sich der Hunderttausender und der Zehntausender viel zu ähnlich sehen.

Viele Touristen, wie auch wir, sind anfangs absolut überfordert mit der Menge an Papiergeld und der Ähnlichkeit im Aussehen. Bei Transaktionen stehen vermeintlich freundliche Verkäufer:innen gerne zur Verfügung und ziehen sanft die geforderten Scheine aus der Geldtasche.

Man kann dabei leider nicht immer an das gute Herz der vietnamesischen Seele appellieren, dass sie auch wirklich die richtige Note erwischen.

Wir sind reich #

Auch wenn Vietnam laut Weltbank als Land mit unterem mittleren Einkommen klassifiziert wird, auch wenn jeder hier Millionär ist: im Endeffekt haben die Menschen im Vergleich zu uns Europäer:innen viel weniger.

Im Gegensatz zur Bevölkerung ist das Leben für uns ausgesprochen günstig:

In Vietnam ist jeder Millionär. Aber bedauerlicherweise heißt das nicht, dass jeder reich ist.