Ein Paradies für Weiße
Das Paradies, der Müll und die Weißen."Noch ein Plastiksackerl!", rufe ich Sophia zu. Ich stehe bis zum Bauchnabel im Wasser. Die Sonne steht hoch am Himmel. "Noch ein toter Fisch.", antwortet Sophia angewidert. Die Leute um uns herum waten im Badeanzug durch das Wasser. Jeder Einzelne scheint bereits einen Plastiksack voll Müll bei sich zu tragen. Es sind Zigarettenstummeln, Dosen, Verpackungsmaterial, Flaschen und Sackerl (dt. Tüten). Das Meer ist voller Müll.
Die Leute im Badeanzug sind Gäste des Resorts, das direkt am Strand liegt. Ruhig und mit einer gewissen Selbstverständlichkeit befreien sie die kleine Bucht vom Müll. Jeder für sich.
Was ist hier los?
Phu Quoc #
Wenige Stunden zuvor kommen wir auf Phú Quốc an. Viele Reiseblogs nennen die Insel gerne das "Hawaii Südostasiens". Russische und vietnamesische Touristen stimmen zu. Sie kommen gerne hier her. Auch für Südkorea und China wird das Inselparadies immer interessanter.
Von Seoul aus gibt es eine direkte Flugverbindung. Viele koreanische Paare entscheiden sich für eine Hochzeitsreise auf die Tropeninsel. Chinesen und Chinesinnen freuen sich über gelockerte Einreisebestimmungen. Den Tourismus freut's ebenso.
Nach einer halbstündigen Autofahrt setzt uns der Grab-Fahrer vor einem hohen Zaun aus Holz ab. Mit unseren schweren Rucksäcken beladen schwitzen wir in der schwülen Hitze und wundern uns: sind wir hier richtig?
Doch dann hören wir eine Stimme. Es kann sich nur um unseren Gastgeber handeln.
How are you doing?
Joe stammt aus Vietnam, doch ist er in Texas aufgewachsen, was sein ungewohnt gutes Englisch und die entspannte Umgangsart erklärt. Der Rundgang um das Grundstück endet im Bungalow, das für die nächste Woche unser Zuhause sein wird.
Joe ist lässig und wirkt wie jemand, der viele gute Geschichten auf Lager hat.
Er beendet seinen Rundgang mit den nackten Tatsachen:
- Einmal Wäschewaschen kostet 30 Tausend Dong (1 Euro).
- Ein Moped kostet pro Tag 150 Tausend Dong (5,5 Euro).
- Ein Wasserkanister, der 20 Liter fasst, kostet 5000 Dong (20 Cent).
Wir stimmen allem zu. Fünf Gehminuten entfernt wartet der Strand.
Das warme Meer #
Es ist heiß. Heiß, heiß, heiß! Den ganzen Tag über freue ich mich schon auf das kühle Nass.
Als wir am Strand ankommen, prüfe ich zu aller Erst das phu quocische Wasser. Ich halte meine Füße ins Meer. Irgendetwas fehlt. Nur was? Kurz darauf bin ich mit dem ganzen Körper im Wasser und dann wird es mir klar. Es fehlt die Abkühlung! Das kühle Nass hat 28 °C. Das kühle Nass ist nass. Aber nicht kühl.
Ein Meer für alle? #
Die Nachmittagssonne wandert über die Insel. Die Palmen strecken sich über den weißen Strand.
Es wirkt wie der perfekte Tag zum Schwimmen. Doch wo sind die Einheimischen? Die Menschen, die am Strand liegen oder im Wasser schwimmen haben mit mir eines gemeinsam: dieselbe Hautfarbe. Die einzigen Vietnamesen, die ich sehe, tragen ein Tablett in der Hand und weiße Hemden oder Blusen. Sie erfüllen den Gästen jeden Wunsch.
Die Gäste lassen es sich gut gehen. Sie faulenzen unter Palmen, schwimmen im Meer, trinken Cocktails und leben ihr bestes Leben. Und jetzt reinigen sie das Meer. Sie sind geprägt durch ihr Umweltbewusstsein, das in ihrer Welt einen hohen Stellenwert hat. In Vietnam existiert dieses Denksystem nicht.
Was das alles bedeutet, frage ich mich. Das Zeitalter des Kolonialismus ist zwar vorbei aber doch sind es wieder die reichen Europäer, die ins günstige Vietnam reisen und die reichen Weißen sind.
Und jetzt maßen sie sich auch noch an das Meer vom Müll zu befreien. Ist ihnen das vietnamesische Meer nicht gut genug? Ihre Standards sind mal wieder zu hoch. Natürlich bin ich eigentlich kein bisschen anders als sie. Hellhäutig, wohlhabend, europäisch. Kurz weiß ich nicht wie ich mich fühlen soll.
Aber plötzlich ist das alles egal, entscheide ich. In diesem Meer schwimmt zu viel Müll, denke ich, fische eine Dose aus dem Meer und stecke sie in einen Plastiksack.