Ich kann nicht schlafen. Und wie das so ist, wenn ich nicht schlafen kann, verlasse ich das Bett. Ich will raus. Raus zum Strand. Es ist 03:30 Uhr in der Nacht.
Es ist dunkel. Ich setze meine Stirnlampe auf. Am Strand angekommen, probiere ich eine der Premium-Liegestühle des Resorts aus. Ich schalte meinen Podcast ein und mach die Augen zu. Daraus wird ein kleines Nickerchen. Kurz darauf will ich wieder in das Klimaanlagenparadies unseres Bungalows.
Müde mache ich mich auf und gehe den kurzen Weg zurück zum Bungalow. Doch kaum verlasse ich den Strand, treffe ich auf ein Hindernis. Meine Stirnlampe leuchtet in die Ferne und trifft auf eine Reflexion, einige Meter vor mir. Ich schrecke auf. Das Licht trifft auf reflektierende Augen.
Dann höre ich Gebell. Ein kleiner Hund. Klein aber gefährlich, denke ich. Was, wenn der mich beißt? Dann hab ich ein Problem. Weil Tollwut ist meine Achillesferse. Also öffne ich meine Karten-App und entdecke einen anderen Weg zurück in den Ort.
Es ist ein kleiner Umweg, durch das Resort durch, doch ist der Ort sowieso winzig und ich will dem Hindernis Hund unbedingt ausweichen.
Ein kleiner Umweg #
Ich gehe also zurück zum Strand. Am Premium-Liegestuhl vorbei führt ein mit Stein gepflasterter Weg durch das Resort. Und was für ein Weg! Der Weg ist wunderbar ausgeleuchtet. Es sieht richtig toll und edel und neu aus. Und das Beste an diesem Weg: kein Hund!
Doch kurz darauf stellt sich mir ein neues Hindernis in den Weg. Ein Mann. Er kommt mir entgegen. Ich nimm meine Stirnlampe ab, weil ich damit wahrscheinlich richtig dumm aussehe und unsere Wege kreuzen sich. Wenigstens hat er keine Tollwut.
Es stellt sich heraus, dass er ein Sicherheitsangestellter vom Resort ist. Und der muss um 4 Uhr in der Früh für die Sicherheit des Resorts sorgen? "Hello!", ruft er mir unsicher entgegen. An der Stelle endet seine englische Sprachfähigkeit. Dann kommt mir der Gedanke, dass ich ein Sicherheitsrisiko für das Resort darstellen könnte!
Minutenlang versucht er mir mit seiner Übersetzungs-App etwas sagen zu wollen. Leider hat er diese überhaupt nicht im Griff. Er gibt etwas in Vietnamesisch ein und es wird auch in selbiger Sprache ausgegeben. Er will mich aber anscheinend auch nicht einfach so weiterziehen lassen.
Dann nimmt er meine Stimme auf.
Kann ich durch das Tor gehen?
Frage ich in pipifeinem Englisch. Seine Übersetzungs-App gibt mein Englisch nicht in Vietnamesisch, sondern in englischem Text aus.
Und plötzlich versteht er. Was sich mir nicht erschließt. Also öffnet er das Tor.
Hinter dem Tor #
Dunkelheit. Stockfinsternis. Das war's dann mit dem schön ausgeleuchteten Weg. Ich bewege mich durch die Wildnis Phu Quocs. Der Weg ist gepflastert. Es ist der Weg zurück zur Straße.
Aber es ist stockfinster und ich höre den Urwald um mich herum. Ich höre Zirpen. Ich höre Gepfeife. Ich höre Hähne schreien. Ich höre Tierlaute, die ich in meinem bisher Leben nicht vernommen hatte.
Bei jedem Laut horche ich auf. Doch ich gehe schnurstracks weiter und hoffe, dass ich irgendwann zurück in die Zivilisation finde. In den Schutz des ruhigen Bungalows. Wow, war das wirklich eine gute Idee? Auf dem Weg könnte mir doch auch ein Hund begegnen?
Es dauert noch weitere zwei Minuten in der Dunkelheit, bevor ich einige Häuser sehe, die von Menschen bewohnt werden. Und ich höre wieder Gebell. Plötzlich sehe ich funkelnde Augen in der Dunkelheit. Ich hör das Gebell eines Hundes mit einer ganz tiefen Stimme. Dieser Hund ist hinter keinem Zaun. Dann sehe ich ihn. Er ist riesig.
Und er bellt mich an. Er fühlt sich bedroht. Es ist ein Wachhund. Was mache ich? Wird er mich angreifen? Der Weg ist eng. Soll ich laufen? Zurück zum Strand?
Doch stattdessen entscheide ich, ganz vorsichtig an ihm vorbeizugehen. Plötzlich rennt er auf mich zu. Er ist blitzschnell und ich kriege panische Angst. Gleich wird er mich anspringen und zerfleischen und ich werde entweder gleich von ihm aufgefressen oder er gibt mir seine Tollwut.
Doch rennt er auf mich zu, winselt, zuckt zusammen und läuft an mir vorbei. Dann denke ich an Gorillas. Wie war das nochmal im Disney Tarzan-Film? Man muss sich klein machen. Und die Tiere haben mehr Angst vor einem als man vor dem Tier?
Ich gehe weiter. Noch ein Hund. Und ich entscheide erneut, mit Abstand an dem Tier vorbeizugehen. Er bellt und bellt und bellt. Seine bösen Hundeaugen funkeln mich an. Ich bin Feind in seinem Territorium. Es ist noch ein zweiter Hund bei ihm.
Sie könnten mich gemeinsam vornehmen, da hätten sie vielleicht eine Chance. Doch mache ich es wie vorhin und gehe mit möglichst großem Abstand an den Hunden vorbei. Sie lassen mich am Leben.
Zurück in die Zivilisation #
Ich sehe wieder beleuchtete Straßen. Ich sehe den Hanoi Club, bei dem wir vorgestern frühstücken waren. Fast ist es geschafft.
Ich sehe die drei Hunde des Vorabends. Liebevoll hatten sie miteinander gespielt. Ich hatte sie ins Herz geschlossen. Jetzt sind sie wild und knurren mich an. Drei an der Zahl! Aber auch sie lassen mich zu Frieden, solange ich den maximal möglichen Abstand einhalte.
Das Gebelle löst eine Art Kettenreaktion an Tiergeräuschen los. Ein Hund bellt, ein anderer stimmt in das Gebelle ein, ein Hahn kräht. Es ist der reinste Zirkus.
Ich gehe an allen Hund vorbei, die ich tagsüber kennengelernt und sogar als süß empfunden habe. Jetzt zeigen sie einen ganz anderen Teil ihrer Persönlichkeit. Angsteinflössend!
In Sicherheit #
Ich erreiche unsere Unterkunft. Was für ein Umweg!
Und das Ironische an der Geschichte? Anstatt an einem einzigen, kleinen Hund vorbeizugehen, entscheide ich einen "sicheren" Umweg zu gehen und begegne ganzen fünfzehn Hunden!
Der schlimmste Spaziergang aller Zeiten.