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Niqs Reisen

Das Mekongdelta

Über Kokosnüsse, Kokosnussmönche und ganz viel Müll.

Am achtzehnten August 1933 entdeckte der Pförtner des Krankenhauses von Steyr ein schlafendes Kind. Neben dem Säugling, der in Lumpen gewickelt war, lag ein Stück Papier, auf dem mit ungelenkter Schrift geschrieben stand: "Ich heiße Sidonie Adlersburg und bin geboren auf der Straße nach Altheim. Bitte um Eltern."

Als ich diese Zeilen vom großartigen Buch "Abschied von Sidonie" von Erich Hackl lese, sitze ich im Auto, das Sophia und mich vom Tan Son Nhat Flughafen in Ho Chi Minh City abholt.

Das Auto bringt uns nach Mỹ Tho, einer Stadt in der knapp 170.000 Menschen leben und als Ausgangspunkt für das Mekongdelta, im Süden von Vietnam dient. Der Mekong ist der zwölftlängste Fluss der Welt. Er entspringt im Hochland Tibets und durchquert China, Myanmar, Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam bevor er ins südchinesischen Meer mündet.

"Mit einer Geste in der ich meinen linken Arm ausstrecke, präsentiere ich vom Balkon aus den Mekong."

In der Regenzeit kommt frisches Wasser den Mekong entlang. Der Regen bringt auch Sediment, das guten Dünger für die Pflanzen bietet. Und überhaupt ist alles noch viel grüner und satter in der Regenzeit. Spätestens als ich das höre, finde ich es fast schade, dass wir gerade während der Trockenzeit hier sind.

Als wir am nächsten Tag den Mekong mit einem kleinen Boot überqueren, erzählt Vũ von diesem großartigen Fluss. "In dieser Region ist der Fluss drei Kilometer breit und hat eine maximale Tiefe von 30 Metern", erklärt er auf Englisch.

"An einer Insel mit grüner Vegetation legen einige kleine Holzboote an. Der Fluss hat eine dunkelbraune Farbe. "

Vier Inseln liegen zwischen der Stadt Mỹ Tho und der Ben Tre Provinz. Sie tragen die Namen mystischer Wesen: Drache (Long), Einhorn (Lân), Phönix (Phụng) und Schildkröte (Quy). Als wir an der ersten Insel anlegen, sehen wir die Fruchtbarkeit der Insel in ihrer vollen Pracht. Hier wachsen Papayas, Mangos, Jackfruit, Bananen, Lychees und natürlich Kokosnüsse.

"Die grüne Insellandschaft ist voller Pflanzen. Man erkennt Kokosnüsse und grüne Büsche unter einem leicht bewölkten, hellblauen Himmel."

Vũ erzählt von verschiedenen Arten von Kokosnüssen. Man unterscheidet anhand der Höhe der Bäume, der Größe und Form der Kokosnüsse, ihrer Schalenfarbe und deren Verwendungszweck. "Die häufigste Art benötigt etwa fünf Jahre um auszuwachsen, liefert etwa 60 Kokosnüsse pro Jahr und wird um die 20 Jahre alt", sagt er weise. Die ganze Kokosnuss wird dabei verwendet:

  • Das Kokosnusswasser ist ein populäres Erfrischungsgetränk, das auch zum kochen oder für die Herstellung von Wein und Likör verwendet wird.
  • Auch das Kokonussfleisch wird beim Kochen eingesetzt, daraus wird außerdem Kokosnussmilch, Kokosnussöl und Kokoskaramell hergestellt.
  • Sogar die Schale findet Verwendung für die Herstellung von Teppichen, Seilen oder Bürsten.

Die Kokosnuss hatte im Mekongdelta sogar so einen hohen Stellenwert, dass im 20. Jahrhundert der sogenannte "Kokussnussmönch" sich auf der Phönixinsel niederließ und dort eine eigene Religion gründete, die eine Mischung aus Buddhismus, Christentum und Taoismus darstellte. Seinen Spitznamen erhielt er dank seiner Ernährung, die sich fast ausschließlich auf Kokosnüsse beschränkte.

"Sophia, Vũ und ich auf einem kleinen Holzboot, das von einer Frau, die hinten am Boot steht, gesteuert wird. Wir tragen alle typische Sonnenhütte aus Stroh und lächeln zufrieden."

"Der größte Markt für Kokosnüsse ist China", meint Vũ. Na, wenn der wüsste, was Kokosnuss als Ersatzprodukt für viele Menschen in Mitteleuropa bedeutet, die sich dem Vegetarismus oder Veganismus verschrieben haben bzw. schlicht und einfach laktose-intolerant sind.

Das umweltunbewusste Vietnam #

Als sich die Tour mit Vũ dem Ende zuneigt, spazieren wir an grünen Gärten vorbei, in denen alle möglichen Pflanzen gedeihen. Neben den Gärten verlaufen Gräben, die extra angelegt wurden, sodass der Mekong hinein fließen und die vielen Pflanzen mit Wasser versorgen kann.

"Neben den vielen Pflanzen verläuft ein Graben der mit dunkelbraunem Wasser gefüllt ist."

Ich freue mich über diese clevere Lösung und wie sehr die Menschen hier im Einklang mit der Natur zu leben scheinen. Doch als wir wieder an Bord des Bootes gehen, das uns zurück nach Mỹ Tho bringt, mache ich eine schreckliche Entdeckung: ein riesiger Müllberg schwimmt im Wasser vor der Insel.

"Wie kann das sein?", frage ich unseren Reiseführer entsetzt. "Woher kommt der ganze Müll?" "Von Einheimischen", antwortet Vũ. "Ihnen ist leider nicht bewusst, dass sie damit das Ökosystem schädigen."

Nach all dem was ich heute gesehen habe, würde ich meinen, dass die Menschen hier verstehen, dass sie die Umwelt schützen müssen. Aber das allgemeine Bewusstsein, dass es in Europa für das Thema Klimaschutz zu geben scheint, hat es leider nicht bis ins Mekongdelta geschafft.